INKASSO IN DER TÜRKEI – FORDERUNGSEINZUG

Deutschland ist seit vielen Jahren einer der wichtigsten Handelspartner der Türkei. Beide Länder verbinden seit mehreren Generationen traditionell vielfältige und intensive Beziehungen. Es besteht eine hohe Anzahl und Branchenvielfalt an deutschen Unternehmen in der Türkei.

Viele europäische Unternehmen und Privatpersonen gehen Geschäftsbeziehungen in der Türkei mit türkischen Geschäftspartnern ein. Es kommt jedoch hin und wieder vor, dass nicht alle Forderungen wie verabredet beglichen werden.

In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, die offenen Forderungen gerichtlich geltend zu machen. Dies kann zum einen durch ein gerichtliches Verfahren in Deutschland (oder auch in jedem anderen Land) erfolgen. Wenn in Deutschland das Gerichtsverfahren erfolgreich abgeschlossen wurde, muss das rechtskräftige ausländische Urteil in der Türkei durch ein gerichtliches Anerkennungsverfahren anerkannt werden, um anschließend vollstreckt werden zu können.

1. Anerkennungsverfahren in der Türkei

In Deutschland entschiedene Urteile und Schiedssprüche können in der Türkei nicht direkt vollstreckt werden, sondern müssen zunächst ein gerichtliches Anerkennungsverfahren durchlaufen. Eine Anerkennung des ausländischen Urteils setzt drei Aspekte voraus: Es muss das Gegenseitigkeitsprinzip gewahrt sein, d.h. das ausländische Urteil darf nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der türkischen Gerichte eingreifen. Außerdem darf das Urteil nicht gegen die öffentliche Ordnung der Türkei verstoßen und das Grundrecht des Beklagten auf rechtliches Gehör muss gewahrt worden sein.

Bei einem Anerkennungsverfahren können vor einem türkischen Gericht Urteile, Versäumnisurteile, Kostenfestsetzungsbeschlüsse aus gerichtlichen Verfahren und Schiedssprüche anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden.

In der Türkei wird das Anerkennungsverfahren am Wohnort des Beklagten durchgeführt. Ist der Beklagte nicht in der Türkei wohnhaft, kann trotzdem in Istanbul das Verfahren geführt werden.

Ein Anerkennungsverfahren in der Türkei dauert in der Regel 6-8 Monate. Aus diesem Grund ist es sowohl aus zeitlicher als auch finanzieller Sicht vorteilhaft, den Weg von Anfang an über die türkischen Gerichte zu gehen.

2. Mahnverfahren nach dem nationalen türkischen Recht

Es ist in der Türkei möglich, vor Klageerhebung einen Zahlungsbefehl gemäß Art. 42 des türkischen Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetzes zu beantragen. Dieses Verfahren kann als einstufiges vorläufiges Vollstreckungsverfahren bezeichnet werden und dauert ca. 2 Wochen. Nach Zustellung des Zahlungsbefehls beim Schuldner hat dieser eine Einspruchszeit gegen den Bescheid von 7 Tagen. Der Schuldner kann gegen die Entscheidung des Vollstreckungsorgans die Rechtsmittel der Beschwerde und des Einspruchs einlegen.

Legt der Schuldner keinen Einspruch ein, wird der Zahlungsbefehl rechtskräftig und kann sofort vollstreckt werden. Wird jedoch in diesem Zeitraum ein Einspruch eingelegt, muss der Gläubiger den Klageweg einschreiten und die Forderung durch ein Verfahren beim Vollstreckungsgericht geltend machen. Bei unbegründeten Einsprüchen können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

3. Arrestpfändung in der Türkei 

Es besteht außerdem noch die Möglichkeit einer Arrestpfändung. Dieses kann bereits vor einem Vollstreckungs- oder Gerichtsverfahren beantragt werden, wenn eine Gefahr in Aussicht steht, dass der Schuldner sein Vermögen verheimlicht, an Dritte überträgt oder selbst flüchtet. Der Erlass eines solchen Beschlusses bedarf keiner Zustellung an den Schuldner. Aus diesem Grund ist der Gläubiger verpflichtet, die Fälligkeit der Forderung nachzuweisen und eine Sicherheit von 15% des Forderungsbetrages zu leisten.

Die Arrestpfändung muss innerhalb von 10 Tagen nach Erlass des Beschlusses vollstreckt werden; ansonsten wird sie unwirksam. Es muss innerhalb von 7 Tagen nach Vollstreckung des Beschlusses der Arrestpfändung das Gerichts- oder Vollstreckungsverfahren in der Hauptsache eingeleitet werden; die Arrestpfändung ist eine vorläufige Maßnahme im türkischen Recht.

4. Zwangsvollstreckung

Eine Zwangsvollstreckung von ausländischen Urteilen ist schließlich erst nach Anerkennung des Urteils durch ein gerichtliches Anerkennungsverfahren und der Erteilung der Vollstreckbarkeitserklärung des türkischen Gerichts möglich.

Deshalb ist es ratsam, die Forderung von Anfang an in der Türkei durch ein gerichtliches Verfahren geltend zu machen. In diesem Falle kann dem Gerichtsverfahren die Vollstreckung unmittelbar folgen und es ist kein zeit- und kostenaufwendiges Anerkennungsverfahren notwendig.

Es wird durch unsere Kanzlei zunächst eine regionale Vermögensrecherche vorgenommen um unseren Mandanten die Erfolgschancen und Risiken eindeutig erläutern zu können. Hierfür werden lediglich die Kontaktdaten des Schuldners benötigt. Je nach vorhandenem beweglichem und unbeweglichem Vermögen wird durch eine individuelle Beratung die Zwangsvollstreckung eingeleitet.

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Av. Sinem ORHAN (Dipl.-Jur.)

Av. Anıl COŞKUN, LL.M. (Mainz)

www.anil-coskun.com

 

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