MAHNVERFAHREN IN DEUTSCHLAND

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Das gerichtliche Mahnverfahren in Deutschland ist ein zivilgerichtliches Spezialverfahren, das der vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen dient. Dieses Verfahren darf nicht mit außergerichtlichen Mahnbescheiden durch Rechtsanwälte, Unternehmen oder Inkassobüros verwechselt werden. Das Mahnverfahren ist günstiger als eine Klage und kann ohne fremde Hilfe (z.B. Rechtsanwalt) betrieben werden.

1. Voraussetzungen für das Mahnverfahren

Um ein Mahnverfahren einleiten zu können, muss sich zunächst der Schuldner in Zahlungsverzug befinden. Ein Zahlungsverzug liegt vor, wenn die Leistung des Schuldners fällig ist, beispielsweise bei Nichtzahlung von fälligen Rechnungen. Das Mahnverfahren ist nur zulässig bei fälligen Ansprüchen auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme in inländischer Währung. Außerdem ist die Einleitung eines Mahnverfahrens nicht möglich, wenn die Adresse des Auftragsgegners unbekannt ist; eine öffentliche Bekanntmachung kann nicht verlangt werden.

2. Zuständigkeit des Gerichts

Das Mahnverfahren wird ausschließlich durch das sachlich zuständige Amtsgericht durchgeführt, wobei die Höhe des Streitwerts irrelevant ist. Örtlich ist das Gericht zuständig, welches sich am Sitz des Antragstellers befindet. Dies gilt ebenfalls für sich im Ausland befindliche Antragsgegner, wenn die internationale Zuständigkeit für Deutschland vorhanden ist. Die Gerichtsgebühren sind von der Höhe der beanspruchten Forderung abhängig. Bei mehreren Antragstellern kann der Gerichtsstand frei gewählt werden.

3. Verfahren des Mahnbescheids

Zunächst muss ein schriftlicher Mahnantrag beim Gericht eingehen. Dieser ist nur mit dem offiziellen Formular möglich. Im Antrag muss der Antragsteller den Geldbetrag und den Anspruchsgrund wie z.B. Kaufpreis angeben. Außerdem sind die Bezeichnung der Parteien und die zuständigen Gerichte anzugeben. Der Mahnantrag muss entweder vom Antragsteller oder einer besonders bevollmächtigten Person handschriftlich unterzeichnet werden. Ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides kann auch online im Internet ausgefüllt werden. Da diese Alternative nicht ganz einfach ist, werden viele Hilfefunktionen angeboten, sodass der Antrag im Anschluss nur noch ausgedruckt, unterschrieben und an das zuständige Amtsgericht geschickt werden muss. Nach Bearbeitung des Mahnantrages wird seitens des Gerichts vom Antragssteller die Kosten angefordert und der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner vom Gericht automatisch von Amts wegen zugestellt. Das Verfahren wird von einem Rechtspfleger oder sogar voll automatisiert durchgeführt, ohne dass geprüft wird, ob dem Antragsteller der Zahlungsanspruch tatsächlich zusteht.

4. Widerspruch gegen den Mahnbescheid

Gegen den erlassenen Mahnbescheid kann der Antragsgegner schriftlich Widerspruch erheben. Durch einen Widerspruch wandelt sich das Mahnverfahren in ein normales Gerichtsverfahren um. Der Widerspruch ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Mahnbescheids einzulegen und bedarf keiner Begründung. Solange noch kein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde, ist auch ein später eingehender Widerspruch zulässig.

5. Vollstreckungsbescheid

Legt der Anspruchsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch ein, wird auf Antrag des Gläubigers ein Vollstreckungsbescheid seitens des Amtsgerichts erlassen. Der Antrag des Gläubigers muss spätestens sechs Monate nach Zustellung des Mahnbescheids gestellt werden. Der Vollstreckungsbescheid dient als eigenständiger und vorläufig vollstreckbarer Vollstreckungstitel, sodass die Zwangsvollstreckung erfolgen kann.

6. Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid

Auch gegen den Vollstreckungsbescheid besteht die Möglichkeit des Einspruchs. Dieser muss ebenfalls innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheids eingelegt werden. Der Einspruch muss schriftlich erfolgen und bedarf weder einer Form noch einer Begründung. Ein Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid führt zu einem ordentlichen Streitverfahren.

7. Zwangsvollstreckung

Zahlt der Schuldner auch nach Erlass und Zustellung des Vollstreckungsbescheids ebenfalls nicht, bleibt dem Gläubiger, um sein Geld zu erhalten, keine andere Möglichkeit außer die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Diese können in das bewegliche und unbewegliche Vermögen erfolgen. Unter das bewegliche Vermögen fallen unter anderem Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Schmuck, Aktien und Wertpapiere und insbesondere Bargeld. Diese werden gemäß § 803 ZPO mit der Pfändung vollstreckt. Dies erfolgt durch den schriftlich beauftragten Gerichtsvollzieher. Ein Auftrag muss durch den Gläubiger an die Gerichtsvollzieher-Verteilungsstelle gerichtet werden, in welchem der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Beispiele für das unbewegliche Vermögen sind Grund- und Wohnungseigentümer. Bei diesen kann man durch die Zwangsvollstreckung in das Grundbuch eine Sicherungshypothek eintragen lassen. Hiermit wird eine Sicherung des Rechtes bei einer zukünftigen Zwangsversteigerung gemäß § 866 ZPO bewirkt. Diese Eintragung erfolgt beim zuständigen Grundbuchamt. Unter Geldforderungen werden Lohnforderungen, Bankkonten, Lebensversicherungen und Bausparverträge verstanden. Um diese pfänden zu lassen, muss durch das Vollstreckungsgericht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergehen. In einem solchen Beschluss wird der Schuldner des Schuldners aufgefordert, die Forderung auf Auszahlung des Geldes dem Gläubiger zur Einziehung zu überweisen und die Zahlung nicht an den Schuldner zu leisten. Zuständig ist in dieser Sache das Amtsgericht am Wohnsitz des Schuldners.

8. Fazit

Das Mahnverfahren ermöglicht somit die Vollstreckung einer Geldforderung ohne Klageerhebung, also auch ohne Urteil. Beweismittel müssen bei der maschinellen Erfassung nicht mitgesandt werden. Das Mahnverfahren ist damit eine schnelle und kostensparende Alternative zum gewöhnlichen Zivilprozess, die sich besonders für Ansprüche eignet, über die kein Streit besteht. Ziel des Verfahrens ist zunächst, einen Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Am Ende des Mahnverfahrens steht jedoch der Vollstreckungsbescheid. Das ist ein Vollstreckungstitel, mit dem der Gläubiger seine Geldforderung vollstrecken kann (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

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Av. Sinem Orhan (Dipl.-Jur.)

Av. Anıl Coşkun, LL.M.

 

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