KLAGE AUF ANFECHTUNG EINES TESTAMENTS

 

Jede Person ist berechtigt, über die Rechte an seinen Vermögenswerten auch über den Tod hinaus zu verfügen. Hierfür kann ein Testament erstellt werden, in welchem der Nachlass bestimmt wird (Über die Anforderungen an ein Testament können Sie unseren Aufsatz unter folgendem Link lesen http://de.anil-coskun.com/anforderungen-an-ein-testament/). Beim Testament ist die Rede von einer einseitigen Willenserklärung von Todes wegen, durch welche Erben eingesetzt oder ausgeschlossen werden können. Zudem ist ein Testament jederzeit widerruflich. Durch eine rechtswidrige Erstellung eines Testaments können die Erbrechte anderer Erben verletzt werden, beispielsweise bei ungerechter Verteilung der Erbmasse, sodass eine Anfechtungsklage des Testaments als notwendig erachtet wird.

Das türkische Zivilgesetzbuch beinhaltet vier Anfechtungsgründe. Diese sind: (I) Die Testierunfähigkeit des Erblassers, (II) Vorstoß des Testaments gegen Recht, Sitte oder Moral, (III) Formfehler des Testaments oder (IV) das Erstellen des Testaments durch arglistige Täuschung, Fälschung, unter Drohung oder Nötigung.  In einem solchen Fall kann eine Anfechtungsklage des Testaments eingereicht werden. Eine Anfechtungsklage ist sowohl bei Testamenten als auch Erbverträgen möglich.

Die Anfechtung eines Testaments kann nach dem Tod des Erblassers veranlasst werden. Der Erblasser verfügt zu Lebzeiten alleine über sein Testament; Dritte sind in dieser Zeit noch nicht berechtigt, Ansprüche gegen das Testament geltend zu machen.

1. Wer ist zur Erhebung einer Anfechtungsklage berechtigt? 

Gemäß des türkischen Zivilgesetzbuches sind Personen, die durch das Testament Vorteile erlangen und diejenigen, die nachteilhaft davon betroffen sind, berechtigt, gegen die letztwillige Verfügung des Erblasser eine Anfechtungsklage zu erheben; beispielsweise Erben, deren Erbanteil positiv oder negativ Veränderungen erleidet oder die rechtlichen Erben des Erblassers. Auch pflichtteilsberechtigte Erben können Gründe für eine Anfechtungsklage besitzen.

Gläubiger und Schuldner des Erblassers können jedoch keine Klage auf Anfechtung der letztwilligen Verfügung erheben.

2. Das zuständige Gericht und der Klagegegner 

Das zuständige Gericht für die Anfechtungsklage eines Testaments ist das Landgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers vor seinem Tod. Wenn der Erblasser im Ausland seinen letzten Wohnsitz besaß, ist das zuständige Gericht, das Landgericht an dem Ort, bei welchen die Registrierung des Stammbuches erfolgt ist.

Der Klagegegner ist die Person, die Erbe des betroffenen Testaments ist und Vorteile aus dem Testament genießt.

3. Zu beachtende Fristen 

Gemäß § 559 des türkischen Zivilgesetzbuches gibt es auch bei der Klage auf Anfechtung eines Testaments zu beachtende Fristen. Bei Nichtbeachtung der Fristen entfällt das Klagerecht der Betroffenen, sodass diese zwingend zu beachten sind. Wird nicht gegen das Testament geklagt, erlangt die letztwillige Verfügung Gültigkeit.

a) Jahresfrist 

Die Jahresfrist beginnt ab Kenntnisnahme der letztwilligen Verfügung und des Anfechtungsgrundes. Auch die Kenntnis über den Tod des Erblassers und die Rechtsinhaberschaft des Betroffenen fallen darunter. Jedoch ist die hypothetische Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme nicht ausreichend; es muss ein Zeitpunkt der Kenntnis festgestellt werden können.

b) 10-jährige Frist

Unabhängig von der Kenntnisnahme des Betroffenen besteht in jedem Fall eine Klagefrist von 10 Jahren ab der Öffnung des Testaments bei Gutgläubigkeit des Beklagten. Die Öffnung des Testaments ist etwas anderes als die Erböffnung mit Tod des Erblassers. Die Öffnung des Testaments erfolgt durch Verkündung des Testaments vom Richter im Beisein der Geladenen. Die Fristen beginnen erst dann zu Laufen, wenn die letztwillige Verfügung durch das Gericht verlesen wurde.

c) 20-jährige Frist 

Im Falle von Bösartigkeit seitens des Beklagten, besteht eine Klagefrist von 20 Jahren. Der Begriff des “guten Glaubens” ist im türkischen  Zivilgesetzbuch geregelt und erlangt in diesem Zusammenhang Geltungskraft. Der Beklagte handelt bösartig, wenn er trotz Wissen der Anfechtungsgründe, Eigentum durch die letztwillige Verfügung erwirbt.

4. Fazit

Lässt sich am Ende einer Anfechtungsklage der letztwilligen Verfügung feststellen, dass ein berechtigter Anfechtungsgrund bestand, wird das Testament seitens des Gerichts für nichtig erklärt. Diese Entscheidung ist rückwirkend und hebt das Testament als Ganzes auf, als hätte es kein Testament gegeben. Es ist jedoch auch möglich, nur Teile des Testaments für gültig zu entscheiden. Wird die letztwillige Verfügung als Ganzes für nichtig erklärt, geht der Erbnachlass auf die gesetzlichen Erben über. Die Entscheidung des Gerichts bindet nur die Parteien des Verfahrens. Im Falle von weiteren Erben, sind diese nicht an die Entscheidung gebunden.

Wie bereits oben aufgeführt, ist es für alle Parteien wichtig, die notwendigen Schritte mit Kenntnisnahme der letztwilligen Verfügung einzuleiten, damit kein Rechtsverlust entsteht. In diesem Zusammenhang sollten alle juristischen Notwendigkeiten zeitnah getätigt werden.

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Av. Sinem Orhan (Dipl.-Jur.)

Av. Anıl Coşkun, LL.M

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Avukat-Türkischer Rechtsanwalt bei ANC Partners Law Firm

 

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